Verleihung des 17. Siebenpfeiffer-Preises


Investigativ-Journalisten Jan Lorenzen und Sophia Maier ausgezeichnet

„Einen Preis als Anerkennung für die eigene Arbeit zu bekommen ist eigentlich ein Moment der Freude. Doch der Freudenschrei bleibt mir dieser Tage im Halse stecken. Zum Chronisten des Rechtsrucks in unserer Gesellschaft zu werden, danach habe ich mich nicht gesehnt. Beunruhigend für mich ist nicht nur die aktuelle politische Situation, sondern viel mehr noch unsere eigene Ratlosigkeit“: So nachdenklich wie selbstkritisch waren die Worte, die Jan Lorenzen in seiner Rede bei der Verleihung des Siebenpfeiffer-Preises im vollbesetzten Homburger Forum fand. Er sowie zwei weitere Journalistinnen wurden mit der Auszeichnung bedacht, die seit 1987 und in ihrer nunmehr 17. Auflage vergeben wurde. Den mit 10.000 Euro dotierten Preis teilte er sich mit Sophia Maier. Zudem gab es für Simone Wagenhaus einen Sonderpreis von 1.000 Euro.

Eröffnet wurde der Festakt von Theophil Gallo, dem Vorsitzenden der Siebenpfeiffer-Stiftung und Landrat des Saarpfalz-Kreises. Er hob hervor, wie wichtig und unverzichtbar freier Journalismus gerade heute ist.

Dr. Theophil Gallo

„Es muss mutige Menschen geben, die trotz der Gefahr für Leib und Leben in und aus den einzelnen Krisengebieten, in den Ländern, in denen Verbrechen durch eine entfesselte, unkontrollierte und ungezügelte Staatsmacht geschehen oder zugelassen werden, berichten und dokumentieren, auch, damit Schicksale aufgeklärt werden. Es muss mutige Menschen geben, die Verbrechen dokumentieren, damit diese auch gesühnt werden können. Es muss Menschen geben, die belegbare Fakten sammeln, die man den Blendern, Spaltern, Ignoranten und Schönrednern in unserer Wohlstandsgesellschaft entgegenhalten kann. Auch für diese Themen brauchen wir die Presse, brauchen wir die Medien, die darüber berichten, über Positives, das mit dem Namen von Homburg, von Zweibrücken und dem Saarpfalz-Kreis verbunden ist. Philipp Jakob Siebenpfeiffer, der gewiss auch vom Europagedanken beseelt war, hätte seine wahre Freude daran“.

&

Die Entscheidung der Jury begründete deren Vorsitzender Martin Grasmück, der Intendant des Saarländischen Rundfunks. Das Gremium, das über die Vergabe der Auszeichnung beschließt, habe sich auch deswegen auf die beiden Preisträger geeinigt, weil diese unerschrocken in die Sphären des Rechtspopulismus bzw. der rechtsradikalen Kräfte eingetaucht seien.

Martin Grasmück

„Ein Preis, der auf die deutsche Demokratiebewegung des Hambacher Festes zurückgeht, der die freie Meinungsbildung und die Freiheit als Ganzes feiert, der muss hier und heute deutlich Stellung beziehen. Denn eine Demokratie lebt davon, dass es herausragenden Journalismus gibt, der aufzeigt, wie die Dinge wirklich sind. Der aufklärt und der sich nicht einschüchtern lässt. Der seiner Rolle und seiner Verantwortung als vierte Gewalt am Ende gerecht wird“.

&

Die aktuelle politische Diskussion zur Bildung von „Sondervermögen“ etwa für die Ausrüstung des Militärs nahm Mika Beuster in seiner Laudatio als Kulisse für seine Betrachtungen über die Entwicklung der Medien. Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) brachte die Abermilliarden, die „für die Verteidigung der Freiheit mit Waffen“ ausgegeben werden sollen, in Zusammenhang mit Medienfreiheit.

Mika Beuster

„Was ist uns die Verteidigung der Grundlagen unserer Demokratie wert? Die Verteidigung der Fakten, der Wahrheit, der Information?“. Wir brauchen einen Masterplan für Medien. Der Staat muss die Grundlagen dafür legen, dass es exzellenten Journalismus in Deutschland weiter geben kann. In dieses Paket des Masterplan müssen dringend folgende Punkte gepackt werden, wenn wir den Journalismus und die Pressefreiheit verteidigen wollen:

– Ein europäisches Soziales Netzwerk, das sich an den geltenden Gesetzen und dem Gemeinwohl orientiert, nicht nach den Regeln des Wilden Westens.

– Die Plattformen müssen in die Verantwortung genommen werden – auch Elon Musk und Co. müssen sich an die Gesetze halten.

– Es muss eine staatsferne Förderung des Journalismus in Deutschland in der Fläche geben. Gerade im Lokalen brauchen wir exzellenten Journalismus. Studien zeigen: Dort wo Journalistinnen und Journalisten nicht mehr aus dem Gemeinderat berichten, steigen kommunale Ausgaben, sinkt die Wahlbeteiligung, steigt die Korruption. Es geht um unsere Demokratie!“

&

Für ihren Investigativ-Journalismus wurde Sophia Maier ausgezeichnet. Sie hatte sich „undercover“ in Netzwerke rechtsextremer Aktivisten eingeschleust und in ihrer für den Privatsender RTL produzierten Dokumentation „Ist unsere Demokratie in Gefahr?“ über die internen Strukturen berichtet. Hasskampagnen und Morddrohungen gegen sie waren die Folge.

Sophia Maier

„Demokratien fallen nicht durch große Revolutionen, sie sterben nicht mit in einem großen Knall – sondern sie erodieren langsam. Eines der ersten Anzeichen für den Zerfall einer Demokratie ist Misstrauen, das sich ausbreitet: Wenn eben Bürger das Gefühl haben, dass ihre Stimme nicht zählt, wenn Medien als Feindbilder aufgebaut werden, wenn politische Extreme stärker werden – dann sind das keine Warnsignale mehr. Dann sind wir bereits mittendrin – und das ist eine ernsthafte Bedrohung für unser demokratisches Land. In diesen gefährlichen Zeiten trägt der Journalismus eine besondere Verantwortung: Er muss aufklären, ohne zu polarisieren. Er muss Missstände aufdecken, ohne sich instrumentalisieren zu lassen. Und: er muss Brücken bauen, wo andere Gräben ziehen. […]

Das wusste auch Philipp Jakob Siebenpfeiffer, als er sagte, dass das Schweigen der Presse der Tod der Freiheit sei. Wenn Journalismus verstummt, gewinnen jene, die die Demokratie verachten. Aber es reicht nicht, nur „frei“ zu sein. Wir müssen auch glaubwürdig sein. Wir müssen zeigen, dass wir nicht gegen Menschen berichten, sondern für sie. Dass es nicht um Mainstream gegen Alternative geht, sondern um Wahrhaftigkeit gegen Manipulation“.

&

Ebenfalls in rechten Kreisen bewegte sich Jan N. Lorenzen für seine Dokumentation „Wir waren in der AfD – Aussteiger berichten“, die er für die ARD produzierte. Darin zeigt er auf, wie Rechtspopulismus und Rechtsextremismus teilweise fließend ineinander übergehen.

Jan Lorenzen

„Wir stehen vor einem Dilemma unserer Arbeit als Journalisten. In der aktuellen Situation haben die meisten von uns, auch ich, das Gefühl, unser demokratisches Staatswesen vor diesem von uns als gefährlich und rechtsradikal angesehenen Protest schützen zu müssen. Diese Haltung hält uns aber davon ab, nach den Ursachen der Unzufriedenheit zu suchen, denn dies hieße zugleich, der AfD-Klage, dass diese Demokratie nicht mehr richtig funktionieren würde, zusätzliche Nahrung zu geben. Wir sehen uns somit in die Position gedrängt, die bundesdeutsche Demokratie zu verteidigen – auch dort, wo sie eigentlich reformbedürftig wäre. […] Wir müssen aufhören uns in unserer Blase gegenseitig zu versichern, dass wir moralisch auf der richtigen Seite sind. Wir müssen wieder lernen, die richtigen Fragen zu stellen! Unsere, die journalistische Arbeit im Umgang mit dem gesellschaftlichen Rechtsruck beginnt gerade erst. Zu Selbstzufriedenheit besteht kein Anlass.“

&

Der zusätzlich vergebene Sonderpreis von 1.000 Euro ging an Simone Wagenhaus. Für die „Frankfurter Neue Presse“ erstellte sie die Serie „Aufbruch der Demokratie“. In einer 57-teiligen, im wöchentlichen Rhythmus erschienenen Reihe beschreibt sie anlässlich des 175. Jubiläums von „Märzrevolution“ und verfassungsgebender Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche Hintergründe und Verlauf der Anfänge des Parlamentarismus.

Simone Wagenhaus

„Wir dürfen unsere Meinung sagen, ohne dass wir im Kerker landen. Wir wollten mit unserer Serie nicht nur die Geschichte von Demokratie und Freiheit erzählen, von den Menschen die damals auf die Straße gegangen sind – obwohl sie jederzeit im Kerker hätten landen können. Wir wollten von Menschen erzählen, die eine Chance für ihr Leben sahen. Wir haben vom Vormärz über die Nationalversammlung 1848/49 bis ins Hier und Heute erzählt. […] Die Serie endet mit dem Worten: Wir müssen alle aufstehen für unsere Demokratie. Das stimmt. Und es stimmt: Wir haben beim „Thema AfD“ lange geschwiegen. Jetzt müssen wir zum Reden kommen und zum Zuhören, zum Austausch. Ich habe die Hoffnung, dass uns das als Gesellschaft noch gelingt“.

&

Ulli Wagner

Eine Ehrung gab es schließlich noch für Ulli Wagner, die langjährige Vorsitzende des Saarländischen Journalistenverbandes (SJV), die diese Funktion im letzten Jahr abgegeben hatte. Stiftungsvorsitzender Dr. Theophil Gallo bedankte sich bei ihr für ihre „stets konstruktive Mitarbeit“ als Mitglied im Vorstand, als Jurymitglied, bei Veranstaltungen und als Ideengeberin. Sie wird der Siebenpfeiffer-Stiftung nach eigenen Worten auch weiterhin verbunden bleiben.

&

Noël Walterthum

Für die musikalische Umrahmung der Preisverleihung sorgte der Chansonnier Noël Walterthum (Gitarre). Begleitet von Marina Kavtaradze (Keyboard) trug er Freiheitslieder vor, so unter anderem „la liberté“ von Georges Moustaki. Begeistert wurde seine Version des Edith Piaf-Klassikers „Non, je ne regrette rien“, in dem es um die individuelle, persönliche Freiheit geht, aufgenommen. Zum Abschluss wurde, wie es inzwischen Tradition ist, gemeinsam „Die Gedanken sind frei“ intoniert, wobei Noël Walterthum unter großem Beifall eine Strophe in französischer Sprache ergänzte.

Fotos: Martin Baus

Nächster in Artikel

© 2025 Siebenpfeiffer-Stiftung | Impressum | Datenschutz | Kontakt