Unerschrockenes Engagement von Journalistinnen und Journalisten aus der Ukraine, aus Belarus und aus Russland wurde ausgezeichnet
Das investigative Nachrichtenmedium „Zaborona“, gegründet in der Ukraine von Katerina Sergatskova und Roman Stepanovych, hat in diesem Jahr den mit 8000 Euro dotierten Siebenpfeiffer-Preis erhalten. Zwei Sonderpreise in Höhe von jeweils 3000 Euro gingen an die Journalistinnen Marfa Smirnova (Russland) und Ljubou Kasparowitsch (Belarus). Verliehen wird die Auszeichnung seit 1987 von der in Homburg beheimateten Siebenpfeiffer-Stiftung. Erstmals war Zweibrücken Schauplatz des Festaktes.
„Die Jury würdigt vor dem Hintergrund des menschenverachtenden russischen Angriffskrieges in der Ukraine und der schrecklichen Entwicklungen in Russland sowie in Belarus in diesem Jahr das unerschrockene Engagement von Journalistinnen und Journalisten, die ganz im Geiste von Philipp Jakob Siebenpfeiffer an die Freiheit der Menschen und die Freiheit des Wortes glauben“, heißt es in der Jurybegründung. Martin Grasmück, Intendant des Saarländischen Rundfunks und erstmals in der Funktion des Juryvorsitzenden am Rednerpult, gab Einblicke in weitere Gedanken und Beratungen der Jury: „Guter Journalismus kann Grenzen überwinden und maßgeblich dazu beitragen, demokratische Werte auch in den schwierigsten Zeiten mit dem Wort zu verteidigen. Danke allen Preisträgerinnen und Preisträgern für diese Gewissheit.“
Zu Beginn der Preisverleihung hatte Zweibrückens Oberbürgermeister Prof. Dr. Marold Wosnitza als „Hausherr“ seine Grußworte an die über 250 anwesenden geladenen Gäste gerichtet, bevor der saarpfälzische Landrat Dr. Theophil Gallo, Vorsitzender der Siebenpfeiffer-Stiftung, auch die Preisträgerinnen und Preisträger namentlich begrüßte. „Es ist ein wichtiges Signal, dass wir mit dem diesjährigen Siebenpfeiffer-Preis auch die schwierige Situation und die Arbeit der Presse gerade in Osteuropa anerkennen und die betroffenen Journalistinnen und Journalisten würdigen und stärken wollen“, betonte Dr. Gallo.
Laudator der Preisverleihung war der Journalist und ehemalige Leiter des ARD-Studios Moskau, Udo Lielischkies. Offen und direkt sprach er von seinen Erlebnissen und Erfahrungen, nachdem er 1999 nach Moskau gekommen war. Er nannte es den „Feldzug Putins gegen die Wahrheit“, den er mit Entsetzen verfolgt habe, „23 Jahre gefüllt mit kleinen und unverschämten Lügen“. Die vier Preisträger und Preisträgerinnen zählte Lielischkies zu seinen „stillen Helden“ und fasste zusammen: „Alle vier haben ihre Familien verlassen müssen, ihre Freunde, ihre Heimat, weil sie nicht schweigen oder lügen wollten. Alle vier haben dafür einen hohen Preis bezahlt.“
Nach Lielischkies Laudatio überreichte Landrat Dr. Theophil Gallo die Urkunden an Katerina Sergatskova und Roman Stepanovych, Marfa Smirnova und Ljubou Kaspjarowitsch. Sodann ergriffen die vier Preisträgerinnen und Preisträger nacheinander das Wort und berichteten kurz und prägnant von ihrer Arbeit in ihrer Heimat und aus dem Exil.
Seit 2018 setzt sich das vergleichsweise junge, investigative Nachrichtenmedium Zaborona kritisch mit der Gesellschaft und gesellschaftlichen Zusammenhängen in der Ukraine auseinander. Durch hohe ethische journalistische Standards versucht das junge Team um Katerina Sergatskova und Roman Stepanovych seither, unabhängig zu bleiben – gerade in der ersten Phase des Krieges eine Herausforderung, als es plötzlich abzuwägen galt, ob veröffentlichte Informationen nicht auch der Gegenseite dienen könnten.
Ihre letzte Reportage für TV Doschd führte Marfa Smirnova in die Ukraine, das gerade von russischen Truppen angegriffen worden war. Sie war dafür alleine im Nachbarland unterwegs und auch für die Technik zuständig und übermittelte eine Reportage über den Krieg, den sie auch als solchen benannte. Inzwischen wurde TV Doschd vom russischen Staat geschlossen und verboten.
Ljubou Kaspjarowitsch hat über junge Menschen recherchiert, die bei Protesten gegen Lukaschenko festgenommen wurden und denen der Prozess gemacht wurde. Im Zuge ihrer Recherchen wurde auch sie inhaftiert. 15 Tage lang saß sie im Gefängnis. Nach massiven Drohungen hat sie Belarus schließlich verlassen. Sie arbeitet seither aus dem Exil, auch für deutsche Medien. Ljubou Kaspjarowitsch dürfte dann auch den anderen Preisträgerinnen und Preisträger sowie vielen weiteren Journalistinnen und Journalisten aus der Seele gesprochen haben, als sie mit leicht zittriger Stimme und dennoch sehr überzeugend aussprach: „Die einzige Macht, die ich habe, ist die Dinge beim Namen zu nennen.“
Mit Liedern aus dem deutschen Vormärz sowie jiddischen Liedern sorgten Hans und Simon Bollinger sowie Christoph und Nora Kleuser für die passende musikalische Umrahmung an diesem Tag.