Roland Jahn beim Festbankett der Siebenpfeiffer-Stiftung


„Streit ist das Lebensblut der Demokratie“

von Martin Baus

– „Es gab Zeiten, da gehörte Mut dazu, sich die Freiheit der Versammlung, die Freiheit der Meinung, die Freiheit der Presse zu nehmen. Freiheit muss man sich nehmen.“

– „Ich vermisse das Bekenntnis zur Biografie. Bei den Funktionären, aber auch bei den Mitläufern. Ich vermisse das Bekenntnis zur Verantwortung und das Hinterfragen des eigenen Handelns.“

– „Wann widerspreche ich meinem Chef und wann lasse ich es lieber sein? Lieber einen bequemen Weg gehen oder sich selber treu bleiben? – Freiheit muss man sich nehmen, auch in der Demokratie. Auch in unserem Land gibt es Situationen, in denen der Widerspruch schwerfällt. Und auch in der Demokratie gibt es Duckmäuser.“

– „Zu oft wird der, der widerspricht, als Störenfried empfunden. Dabei ist doch gerade das kritische Hinterfragen, der Streit um die beste Idee das Lebensblut der Demokratie.“

-„Mit Hilfe einer freien Presse kontrollieren die Bürger die Mächtigen. Freie Information befähigt zur Teilhabe am Gemeinwesen. Sie zwingt die Machthabenden zur Rechenschaft. Dann kann man Demokratie gestalten“:

Roland Jahn, der neue Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde, rief mit diesen Bemerkungen ausdrücklich dazu auf, auch in der Demokratie die „Kultur des Widerspruchs“ zu pflegen. Den Rahmen dazu bot das „Festbankett“, das die Siebenpfeiffer-Stiftung alljährlich veranstaltet. Historischer Anlass für dieses Treffen ist dabei die Gründung des „Preßvereins“, die am 29. Januar 1832 – vor heuer also genau 180 Jahren – in Zweibrücken stattfand. Dieser Verein, der für Pressefreiheit kämpfte und sich für inhaftierte Journalisten engagierte, zeichnete auch für die Organisation des Hambacher Festes verantwortlich.

In seiner Ansprache vor rund 300 Gästen im Sitzungstrakt des Homburger Forums berichtete Roland Jahn zunächst über seine persönlichen Erfahrungen in der DDR-Diktatur, um sich dann kritisch mit dem aktuellen Zustand der Demokratie, ihren Schwächen und Stärken zu befassen. Dabei kommentierte er die Realitäten in der DDR sehr differenziert. „Ja, Freiheit musste man sich nehmen. Aber wie sollte man das machen, angesichts der Allmacht von SED und Stasi?“. Jahn berichtete von Tätern, Mitläufern, Gegnern – und durchaus fließenden Grenzen zwischen diesen einzelnen Profilen.

Als Festredner der Siebenpfeiffer-Matinée ging er auch auf die Behörde ein, die er seit März 2011 leitet. Es biete sich die historisch einmalige Chance, anhand der Stasi-Unterlagen das „Wesen der Diktatur“ zu ergründen und aus den Ergebnissen Schlussfolgerungen für eine funktionierende demokratische Gesellschaft zu ziehen.

Jahn: „Wenn ich in die Politik schaue, dann staune ich, was so alles einfach durchgewunken wird. Regieren bedeutet oft nur , die eigene Partei auf Linie zu bringen, statt die Diskussion zu suchen. Widerspruch wird mir zu oft platt gemacht.“ Dabei sei aber vor allem das Ringen um die beste Lösung entscheidend: „Das ist das Lebensblut der Demokratie.“ Deswegen gelte es, vor allem bei den nachfolgenden Generationen das Demokratieverständnis zu stärken.

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